Disclaimer: Mittlerweile ist das Auswahlseminar, an dem ich im Januar 2024 teilnahm, knapp neun Monate her. Deshalb habe ich nicht mehr alles im Kurzzeitgedächtnis und verlasse mich teilweise sehr auf meine Tagebucheinträge aus dieser Zeit. Trotzdem dachte ich mir, diesen Bericht zu schreiben, denn er könnte einigen Menschen hilfreich sein, die ihre Chance bei der Studienstiftung nutzen wollen.
Erstmal von vornherein: Ich habe damals vor dem Auswahlseminar keinen einzigen Erfahrungsbericht gelesen. Den ersten Bericht, den ich gelesen habe, las ich am Freitagabend des Seminarwochenendes, nachdem eine der Sprecherinnen auf ihren eigenen auf ihrer Webseite verwiesen hat. Sprich, falls Du das während oder nach dem Wochenende liest: Nein, es ist kein Problem. Ja, du hast trotzdem solide Chancen um aufgenommen zu werden. Aber falls Du das hier vor dem Wochenende liest, lass mich erzählen wie das Auswahlseminar für mich vonstatten ging.
Vor dem Seminar
Die Zeit vor dem Auswahlseminar war relativ ereignisreich: Nachdem es ursprünglich als Präsenzveranstaltung geplant war, wurde etwa eine Woche vorher angekündigt, dass das Seminar doch online stattfinden wird. Grund dafür war der damalige Streik der GSL, weswegen viele Zugverbindungen ausfielen. Ich hatte zum Zeitpunkt der Ankündigung bereits nach einer Route mit dem Flixbus gesucht und war froh, noch nichts gebucht zu haben.
Freitagabend
Ich bin mir sicher, dass man in einem Präsenzseminar eine bessere Zeit hat. Man verbringt ein ganzes Wochenende mit den Seminarteilnehmern, kann sich also viel besser vernetzen. Dennoch war ich beeindruckt, wie viel sozialen Austausch ich während des Wochenendes hatte. Die Gruppenzuteilung wurde vorher bereits bekanntgegeben, sodass ich mich also am Freitagabend nach der Einführungsveranstaltung mit meiner Gruppe in einem Webex-Meeting traf und wir uns gegenseitig vorstellten. Das war wichtig, denn so behandelten wir uns während den Präsentationen und Debatten viel familiärer.
Samstag
Die Debatten
Ja, ich gehe erstmal auf die Debatten ein. Jedes Mitglied einer Gruppe hält im Laufe des Samstags eine Präsentation über ein kontroverses Thema, über welches danach diskutiert wird. Die Diskussionsrunde wird vom Vorstellenden moderiert. Das klingt ja auf den ersten Blick ziemlich einschüchternd. Ich meine, wann soll ich jemals etwas über Moderation gelernt haben?!
Also habe ich mich im Vornherein im Internet schlau gemacht, wie man denn richtig moderiert. Das kann ich Dir auch sehr empfehlen, denn es ist eine wichtige Kompetenz, die in vielen Situationen sehr wichtig sein kann! Im Auswahlseminar war sie allerdings nicht so gefragt wie eigentlich angenommen… Richtige Moderationstricks muss man nämlich meist nur anwenden, wenn man die Diskussionsteilnehmer zum Reden bringen muss, mit geschickten Fragen zum Beispiel. Das ist aber nicht notwendig, wenn jeder in der Runde sowieso so viel wie möglich reden möchte, um sich selbst möglichst gut zu präsentieren. Daraus folgen zwei Dinge:
- Mach dir keine Sorgen um die Moderation. Normalerweise ist es so, dass der “Moderator” die Diskussion beginnen lässt, 13 Minuten lang zuhört und dann die Diskussion beendet. Falls sich aber die Möglichkeit bietet, eine Moderationstechnik anzuwenden, dann sei darauf vorbereitet und nutze sie. Nach solchen Qualitäten sucht die Studienstiftung.
- Wenn du Teilnehmer bist: Bringe dich in die Diskussion ein! Versuche einen signifikanten Redeanteil zu haben. Natürlich sollte es keine Gequassel sein, genauso solltest du auch keine destruktive Rhetorik verwenden (ins Wort fallen o.ä.). Das macht keinen guten Eindruck beim Prüfenden. Aber sei dir bewusst, dass ein gewisser Wettbewerb während jeder Diskussion existiert.
Die Präsentation
Als Präsentationsthema wollte ich ein Thema bzgl. KI wählen, da ich Informatiker bin. ChatGPT war dabei aus meiner Auswahl von Anfang an raus, denn ich befürchtete, dass andere Teilnehmende das selbe Thema wählen würden (Das muss jeder in der Gruppe gedacht haben, denn niemand nahm ChatGPT als Thema). Stattdessen entschied ich, über KI-generierte Kunst zu sprechen. Da keinerlei technische Hilfsmittel bei der Präsentation erlaubt sind, druckte ich zwei Bilder aus: Eine Kopie eines Kunstwerks und eine Kopie eines KI-generierten Bildes, welches den Stil der Künstlerin imitieren soll. Diese Bilder nutzte ich, um zu Beginn meiner Präsentation über eine Umfrage zu prüfen, wie gut Menschen zwischen echten und KI-generierten Kunstwerken unterscheiden können.
Das war im Rückblick ziemlich cool, und ich kann jedem nur raten, trotz des Verbots von technischen Hilfsmitteln kreativ zu werden. Vor der Präsentation war ich sehr nervös, weil ich nicht wusste, ob es so funktionieren würde wie ich es mir vorgestellt hatte. Aber nachdem die Umfrage vorbei war, hat sich der Rest wie ein Klacks angefühlt. Vielleicht gibt es für dein Thema ein ähnliches Hilfsmittel, das die Präsentation lebhafter macht!
Das erste Einzelgespräch
Da ich eben schon die Nervösität angesprochen habe: Die war am Freitag und Samstag bei mir omnipräsent. Gerade aber vor dem ersten Einzelgespräch. Das Problem ist, dass jeder Prüfer das Einzelgespräch etwas anderst macht. Dementsprechend kann man sich auf die Einzelgespräche nicht wirklich vorbereiten. Das wird von Seiten der Studienstiftung auch explizit so mitgeteilt. Genauso bin ich also vorgegangen; Meine einzige Vorbereitung auf die Einzelgespräche lag darin, den Bewerbungsbogen noch einmal durchzulesen. Davon abgesehen war mein Mindset: “So authentisch wie möglich zeigen. Wenn ich auf authentische Art einen guten Eindruck beim Prüfenden mache, dann gehöre ich wirklich in die Studienstiftung.” Und das möchte ich so weitergeben! Hab genug Selbstvertrauen in dich, sodass du weißt, dass du wegen deiner Qualitäten und deiner Persönlichkeit in die Studienstiftung gehörst.
Jedenfalls lief das erste Einzelgespräch am Ende ganz okay. Es ging während dem Gespräch um Sport, Bücher, meine Sprachkenntnisse und meine “Strategie” für dieses Auswahlseminar. Als ich zu Letzterem der Prüferin das oben beschriebene erklärte, schien sie etwas verwirrt zu sein. Naja, es hat ja funktioniert. ^^ Ich habe von anderen Stiftis bereits gehört, dass es wohl normal ist, dass eines der Gespräche nicht so gut verläuft wie das andere. Meist ist es das erste, da man als Teilnehmer in dieses deutlich nervöser geht als in das zweite. Mein Eindruck nach dem Gespräch war nicht sonderlich überzeugt, aber ich war mir auch bewusst, dass es kein totaler Reinfall war. Ich war froh zu wissen, dass ich in so einer Atmosphäre die Fassung bewahren kann.
Sonntag
Am Sonntag stand nur noch das zweite Einzelgespräch an. Auf dieses ging ich etwas gelassener zu, einerseits weil ich das erste Gespräch hinter mir hatte, andererseits weil ich wusste, dass nach diesem Gespräch das Auswahlseminar für mich vorbei war. Eine gewisse Grundnervösität bestand aber immer noch, vor allem, weil mein Prüfer ein Mann mit doppeltem Doktortitel war! Da wusste ich nicht was auf mich zukommen würde. Zum Glück waren alle Sorgen unbegründet, denn das zweite Einzelgespräch sollte zu meinem persönlichen Highlight werden.
Nachdem wir kurz über meinen Werdegang gesprochen hatten, lenkte der Prüfer das Thema schnell zum Thema Persönlichkeit um. Dies endete darin, dass wir ein intensives Gespräch über Psychologie, konkreter über das Spektrum von Wahrnehmung zu Entscheidung führten. Dieses Gespräch schien sich ganz natürlich zu entwickeln, aber natürlich war klar, dass er das Thema in die Wege geleitet hatte. Die Konversation fühlte sich für mich gewinnbringend an. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, einen guten Eindruck hinterlassen zu haben, weil ich mich auf die Konversation einlies. Doch selbst wenn ich nicht überzeugt haben sollte, war ich einfach nur froh, so ein tolles Gespräch geführt zu haben. Abschließen konnte ich das Auswahlseminar also mit einem sehr guten Gefühl.
Nach dem Seminar
Die kurze Zeit nach dem Seminar ist natürlich pure Folter, weil man jeden Tag darauf hofft, endlich den Brief zu erhalten, in dem die Studienstiftung ihre Entscheidung preisgibt. Vielleicht dazu eine kleine hilfreiche Info: Im Falle einer Zusage hat der Brief ein DIN-A4-Format, um den ganzen Papierkram mitunterzubringen. Der Brief mit der Absage ist dagegen im DIN-A5-Format gehalten. Man kann also direkt an der Größe des Briefs erkennen, ob man aufgenommen wird oder nicht.
Als mein Mitbewohner mir also genau 14 Tage nach dem Auswahlseminar von hinten einen Brief über den Kopf schlug, der sich viel größer als DIN-A5 anfühlte, wusste ich schon, dass ich tatsächlich eine Zusage erhalten hatte. Wirklich geglaubt habe ich es trotzdem erst, nachdem ich das Schreiben ausgepackt hatte. Die Freude war natürlich riesig, und ich bin immer noch froh über diesen Wink des Schicksals.
Fazit
Was soll man also aus diesem Erfahrungsbericht mitnehmen? Das kann natürlich jeder für sich selbst entscheiden. Mir war es aber wichtig zu vermitteln, dass meiner Meinung nach die wichtigste Voraussetzung für das Auswahlseminar die richtige Einstellung ist. Man muss nicht perfekt vorbereitet sein, und man muss (und sollte) nicht versuchen, sich als Person ohne Makel zu präsentieren. Vertraue darauf, dass du auf deine authentische Art die Prüfer von dir überzeugen kannst. Ich denke, die Allermeisten, die bei der Studienstiftung in Frage kommen, neigen tendenziell zu “Overthinking”. Setz dich darüber hinweg. Die Tatsache, dass Du vorgeschlagen wurdest hat seinen Grund und das kannst du zeigen!
Danke fürs Lesen :) ich wünsche jedem Lesenden, der/die vor seinem Auswahlseminar steht, alles Gute, viel Glück und Erfolg. Ich hoffe, Du konntest aus diesem Bericht etwas wertvolles mitnehmen.
Viele Grüße,
Niklas Paul